Man vs. Ich

Ist dir schon mal aufgefallen, dass fast jedes „man“ durch ein „ich“ ersetzt werden kann? Und dass das einen gewaltigen Unterschied in der Authentizität des Sprechers macht?

Stell dir zum Beispiel mal vor, jemand erzählt dir Folgendes:

Man hat ja immer mal wieder so Phasen. Zum Beispiel wenn man seit Ewigkeiten mal wieder auf Monopoly kommt. Dann spielt man es ein paar Mal mit seiner Partnerin und verliert dabei so grottenschlecht, dass man sich aus reinem Ehrgeiz YouTube Videos über Monopoly Strategien reinzieht. Und auf einmal will der Partner kein Monopoly mehr spielen. Tja, was soll man da machen? Richtig: Man lädt sich die Monopoly App runter und spielt darüber online gegen andere. Da steigert man sich dann so weit rein, dass man es sogar richtig bitter findet, wenn man in einer prekären Situation ein Haus verkaufen muss, weil man wegen einem Dollar die scheiß Zusatzsteuer nicht bezahlen kann. 

Merkst du, wie ich mich hinter dem „man“ verstecken kann? Lies den Text nochmal und ersetze jedes „man“ mit einem „ich“ und aus einer beispielshaften Erzählung über eine abstrakte Person wird eine authentische Erzählung über mich.  

Ein „man“ statt ein "ich" zu benutzen, ist ein Versuch, die eigenen Verhaltensweisen und Entscheidungen zu legitimieren, indem man sie verallgemeinert: Jeder verhält sich so, deshalb ist es okay oder "normal", dass ich mich so verhalte. Doch damit gebe ich die Verantwortung für mein Verhalten und meine Entscheidungen an die Allgemeinheit ab. Und damit auch ein Stück weit meine eigene Freiheit darüber.

Für mich wirft das auch ein ganz neues Licht auf gewöhnliche, unscheinbare Floskeln:

Das macht man nicht! vs. Das mache ich nicht!

Man will ja nicht auffallen. vs. Ich will ja nicht auffallen.

Da sollte man sich mal drum kümmern. vs. Da sollte ich mich mal drum kümmern.

Mit dieser kleinen Veränderung verschiebt sich der Fokus von einer allgemeinen Beobachtung zu einer individuellen Erfahrung oder Einsicht. 

Ich finde das unheimlich befreiend. Und ich finde, das ist ein bisschen wie mit dem Pfeil im FedEx Logo: Wenn man es einmal gesehen hat, kann man es nicht mehr nicht sehen. 😉

 

 

Autor: David J. Krause
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